Wie entsteht ein Trauma?
Während eines extrem bedrohlichen Ereignisses wird unser Gehirn mit negativen oder aversiven Reizen überflutet. Es versucht auf eine möglichst effektive Weise mit der Situation fertig zu werden, indem es entweder Rückzug und instinktiver Flucht oder mit dem instinktiven Umschalten auf Kampf, Angriff und Bekämpfung der Situation, reagiert. Diese Prozesse geschehen automatisch und sind biologisch angelegt... Sind weder eine Flucht- noch eine Kampfreaktion möglich, dann schützt das Gehirn den Organismus, indem es die aggressive Situation gewissermaßen "innerlich unschädlich" macht. Es reagiert mit einem Einfrieren und Erstarren. Die Wahrnehmung, die Erinnerungsfähigkeit und die unmittelbaren körperlichen und seelischen Reaktionen werden "zersplittert" - fragmentiert und die Betroffenen erleben einen Zustand der Dissoziation. Unser Gehirn lernt auch in diesen extremen Situationen äußerst effektiv. Zukünftig werden wir versuchen, diese Situationen zu umgehen, sobald wir entsprechende Triggereize wahrnehmen. Wir reagieren mit großer Angst und starken negativen Gefühlen. Wenn es nicht möglich ist, der Situation zu entkommen oder sie zu bekämpfen, dann reagieren wir gegebenenfalls mit den beschriebenen Dissoziationsprozessen. Neben Ereignissen, die von sich aus eine Bedrohung für das Leben darstellen, können auch Ereignisse, welche den Selbstwert und die persönliche Integrität eines Menschen stark bedrohen, traumatisierend sein, wenn ihnen der Mensch hilflos ausgeliefert ist. So können zum Beispiel auch Beziehungskonflikte und zwischenmenschliche Konflikte, finanzielle Sorgen oder juristische Probleme, oder eine abrupte Änderung der Lebenssituation dauerhaft negative Effekte auf unsere Psyche haben. Jedes Ereignis oder jede anhaltende Situation, die Stress, Angst und ein starkes Gefühl der Hilflosigkeit verursacht, kann sich zu einer Traumatisierung entwickeln und damit die gleichen Symptome hervorrufen, wie klar zu identifizierende traumatische Großereignisse. Man kann direkt als Opfer betroffen sein, oder indirekt als Zeuge. Auch Helfer oder Angehörige können und posttraumatische Symptome entwickeln.
Was sind Traumata? - Und was nicht?
Den Begriff "Trauma" hört und liesst man in den letzten Jahren immer häufiger in den Medien. Das ist einerseits gut, weil in der Gesellschaft ein Bewusstsein darüber gewachsen ist, welchen großen Einfluss negative Erlebnisse und Erfahrungen auf unsere Psyche haben. Andererseits findet damit auch eine Verwaschung des Begriffs Trauma statt. Negatives Erlebnis = Trauma? Ganz so einfach verhält sich die Sache nicht. Nicht jedes negative Lebensereignis wird zu einem Trauma, welches uns in unserem Leben beeinträchtigt. Gleichzeitig können uns vergleichsweise "undramatische" Erlebnisse ohne das Auftreten extremer Bedrohung lebenslang einschränken, wenn wir ihnen nur lange genug ausgesetzt sind, so wie es zum Beispiel bei Mobbing der Fall ist. Erstaunlich viele Menschen überstehen extreme Lebenssituationen nach einer Phase der Verarbeitung und Heilung ziemlich gut und ohne dazu eine längere Therapie in Anspruch nehmen zu müssen. Wiederum Andere tragen traumatische Erfahrungen über viele Jahre mit sich rum, ohne die Vorstellung davon, dass eine Therapie die Traumafolgen, unter denen sie leiden, kontrollierbar und verstehbar macht. Alle Traumatisierungen beginnen immer mit realen, extrem stressreichen äußeren Ereignissen, in deren Folge das Gehirn mit fest angelegten biologischen Reaktionsmustern antwortet. Gerät ein Mensch in eine extrem bedrohliche Situation, dann stehen ihm instinktiv "Flucht" oder "Angriff" als Reaktion zur Verfügung. Ist beides in der Situation nicht möglich, dann reagiert das Gehirn mit einem Schutzmechanismus. Es antwortet mit einer Art "innerem Abschalten", mit einem "Einfrieren" und "Erstarren" in der Situation. Durch dieses innere Aussteigen wird im Überlebensmodus eine Distanz zur Situation geschaffen, die mit der Ausschüttung einer Flut von körpereigenen Opiaten verbunden ist. Auch unsere Wahrnehmung und unsere Erinnerung zersplittern gewissermaßen, um die Situation überlebbar zu machen. Es ist also nicht nur per sé das bedrohliche Ereignis selbst, was zum Trauma führt, es ist vor allem unsere Möglichkeit in der Situation zu reagieren. Traumata unterscheiden sich in ihrer Qualität, Stärke und im Zeitraum der Traumatisierung. Vor allem aber unterscheiden sie sich im Prozess der Verarbeitung. Sie unterscheiden sich darin, wie der oder die Betroffene reagieren konnte und letztlich wie die Situation verinnerlicht und verarbeitet wurde.
Traumasymptome und Traumafolgen
Die unmittelbare Reaktion des Menschen auf ein traumatisches Ereignis wird als Akute Belastungsreaktion bezeichnet. In der Bedrohungssituation selbst setzt häufig das Gefühl einer inneren Distanzierung zum Geschehen ein. Es kann zu einer Einengung des Bewusstseins kommen, zu Betäubungsgefühlen und dazu, dass die Situation wie von außen oder von oben betrachtet wahrgenommen wird. In Folge der Stressüberflutung kann es zudem auch zu einer teilweisen Ausblendung von Details, zu einem veränderten Zeitgefühl und einer allgemeinen Desorientiertheit kommen. Häufig werden im weiteren Verlauf folgende Symptome beobachtet: - körperliche Reaktionen wie Herzrasen, Übelkeit, Schwitzen, Kontrollverlust über Körperfunktionen - innerliches Erstarren und die Unfähigkeit , über das Ereignis zu sprechen - Konzentrationsstörungen, Teilnahmslosigkeit, Rückzug, Trauer, Angst, Wut, Depression, Gefühlsschwankungen, Erinnerungslücken - Wiederleben der Situation in Tagträumen oder Flashbacks, Albträume, Schlafstörungen, stark gesteigerte Anspannung und Reizbarkeit - emotionale Taubheit, Rückzug, Passivität, eingeschränkte Beziehungsfähigkeit, Leistungseinbußen in Alltag und Beruf - Misstrauen, Scham- und Schuldgefühle, vermindertes Selbstwertgefühl, negatives Denken, Hoffnungslosigkeit - Wiederholung der Situation, indem Betroffene immer wieder in ähnliche Situationen oder an ähnliche Menschen "geraten" - Angst und Vermeidung von Situationen, Personen, Gegenständen oder Orten, die eine Erinnerung an die traumatische Situation auslösen. Wenn die posttraumatischen Symptome länger als vier Wochen anhalten oder bestehen, obwohl das oder die Ereignisse Wochen, Monate oder Jahre zurückliegen, dann spricht man von einer posttraumatischen Belastungsstörung oder Traumafolgestörung. Posttraumatische Belastungstörungen gehen häufig mit weiteren Symptomen und Krankheitsbildern einher, die die ursprüngliche Traumatisierung überlagern oder parallel auftreten. Typisch für posttraumatische Belastungsstörungen ist, dass Betroffene durch bestimmte Auslöser (Trigger) ein Überfluten mit unangenehmen Erinnerungen und Gefühlen erleben und so reagieren, als wären sie wieder in der belastenden Situation. Um dies kontrollieren zu können, versuchen die Betroffenen sich diesen Situationen oder Auslösern zu entziehen, entwickeln Ängste und geraten in ein Vermeidungsverhalten. Auch die Verdrängung des Erlebten und die Unfähigkeit, sich an konkrete Sachverhalte zu erinnern, gehören zu einer typischen Strategie der Psyche, um mit den Erlebnissen im Alltag umgehen zu können. Langfristig hält der Körper eine hohe Alarmbereitschaft und ein hohes Stresslevel aufrecht, so dass in Folge dieser Übererregung Symptome wie Nervosität, Reizbarkeit, Unruhe, Konzentrationsstörungen oder Schlafstörungen auftreten, die die betroffenen Menschen in ihrem Alltag erheblich belasten und einschränken.
Ziele und Möglichkeiten der Traumatherapie
Menschen entscheiden sich für eine Traumatherapie als eine spezielle Form der Therapie, weil sie erkannt haben, dass die Schwierigkeiten in ihrem Leben und die Symptome, durch die sie belastet sind, im Zusammenhang mit Erlebnissen in der Vergangenheit stehen. Dabei kann es sich sowohl um die Auswirkungen kürzlich erlebter Akuttraumata handeln, wie auch um weit zurückliegende traumatische Erfahrungen, welche die körperliche und seelische Gesundheit, die Sozialbeziehungen, dass allgemeine Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit im Alltag negativ beeinflussen. Posttraumatische Beschwerden lassen sich jedoch zumeist gut behandeln und auflösen. Allgemeines Ziel der Traumatherapie ist es, dass die vorhandenen Symptome und Reaktionen für die Betroffenen verstehbar und kontrollierbar werden. Das Erkennen des Zusammenhangs zwischen Symptomen und deren Ursache und das Erlernen neuer Bewältigungsstrategien führt zur Entwicklung neuer Handlungs-möglichkeiten und zur Kontrolle über negative Gefühle und Reaktionen. Im Zentrum stehen die Aktivierung von Ressourcen, äußere und innere Stabilisierung, Selbstschutz und Selbstvertrauen, Entspannung und die Kontrolle über die eigenen Gefühle und das Leben. Natürlich ist auch die Auseinandersetzung mit dem Trauma selbst ein Teil einer Traumatherapie, sie steht jedoch niemals im Zentrum oder am Anfang einer Therapie. Sie erfolgt nur dann, wenn der oder die Betroffene wirklich dazu selbst bereit sind und zuvor traumatherapeutische Methoden zur Distanzierung und zur Affektsteuerung verlässlich erlernt wurden. Der Großteil der Traumaarbeit liegt nicht in der Auseinandersetzung mit den Inhalten des Traumas, sondern in den Erkenntnisprozessen, Stabilisierungs- und Ressourcenarbeit. Eine Traumatherapie hilft das oder die traumatischen Erlebnisse zu verstehen und in die eigene Lebensgeschichte zu integrieren. Im allerbesten Fall gelingt es sogar, in dem traumatischen Erlebnis einen Sinn zu finden, es fühlbar hinter sich zu lassen und daran zu wachsen. Sie hilft, vorhandene Symptome zu bewältigen und unterstützt in der Behandlung von Erkrankungen, die in der Folge der Traumatisierung entstanden sind. Dauer und Länge der Traumatherapie sind abhängig von der Qualität, der Stärke, dem Zeitraum und dem Zeitpunkt der Traumatisierung.